Menschen sind zweifelnde Geschöpfe, seit sie der Versuchung nicht widerstanden haben, die verbotenen Früchte vom Baum der Erkenntnis zu essen.
Wir wissen nicht, was die Schlange dem naiven Adam ins Ohr geflüstert hat, um in ihm die Neugier zu wecken – eines aber können wir als wahrscheinlich annehmen, seit jener Zeit lebt der Mensch in ständiger Ungewissheit. Adam wollte es genau wissen – er wollte hinter die Kulissen schauen, wollte erkennen, wer, wie und wo der Schöpfer aller Dinge ist …
Der ALLMÄCHTIGE aber verpasste ihm einen Denkzettel: „Ich werde dir zeigen, wer, wie und wo ich bin, ich werde dir aber auch zeigen wo deine Grenzen sind, doch dazu musst du schon mal hinter dem warmen Ofen hervorkommen, musst, so Leid es mir tut, das Paradies verlassen ...
Da merkte Adam, dass er einen nicht wieder gutzumachenden Fehler begangen hatte. „Wie war’s dereinst doch so bequem ...“ – man (Man = Mensch = Adam) brauchte sich keine Gedanken machen wer, wie oder wo, es war doch alles da, was man zum Leben brauchte. Man brauchte nicht einmal vom Paradies zu träumen, man lebte in ihm, war Teil von ihm – unzweifelhaft war alles in Allen, alles mit Allem, man brauchte nicht zu fragen wo ist dieses, wie funktioniert jenes, wer hilft mir, um das eine oder andere zu beschaffen – nichts hatte man zu tun, alles war unaufgefordert da. Selbst die Zeit war immer da, sie verging nicht, man hatte immer „lange Weile“ – war man vor langer Weile und dem Nichtstun müde, dann machte man, wo immer man sich gerade befand die Augen zu und schlief den Schlaf der Gerechten. Wachte man auf, so war wieder „Jetzt“ – immer war „Jetzt“ – Gestern und Morgen, Vorher oder Nachher gab es nicht ! Und so kam man auch nicht auf die Idee, zu fragen: „Was wäre wenn“ ?
Nun gab es da im Paradies aber auch die Schlange … Vermutlich war sie eine Art „Kontrollinstanz“ – als Stellvertreter der Schöpfers sozusagen – er konnte ja damals nicht „überALL“ gleichzeitig sein, hatte überaus viel zu tun mit der Erschaffung der übrigen Welt. Das Paradies war einst so etwas wie ein Versuchslabor, um im Erfolgsfalle „ALLerorten“ solche Paradiese zu schaffen. – Nun ja, was die Funktion Schlange bewirkt hatte, ist ja hinlänglich bekannt. – Adam wurde des Paradieses verwiesen. – Gnädiger Weise hatte der Schöpfer Adam nicht gänzlich allein in die Wildnis verbannt. Eva, die ja nicht ganz unschuldig war, weil sie Adam gut zugeredet hatte, doch ruhig einmal von dem Angebot der Schlange Gebrauch zu machen, musste ebenfalls den Garten Eden verlassen. Und außerdem sollte Adam von allem was da kreucht und fleucht, zu Wasser und zu Lande sich bewegt und wurzelt mit sich nehmen, die außerparadiesische Wildnis zu beleben.
„Macht euch die Erde untertan“, hat der ALLmächtige dem Adam noch hinterhergerufen, „dann habt ihr einstweilen genug zu tun und kommt nicht auf solch absurde Gedanken, Erkenntnis zu erlangen“ (... ist doch wahr !“ hatte er zum Schluss noch gesagt, aber das hatte Adam nicht mehr mitbekommen).
Und so bevölkerte „Man“ die Erde. – Ganz anders als im Paradies, verging nun die Zeit. Stets fehlte eine Menge Zeit, um das Leben auf dieser unwirtlichen Terra magna einigermaßen erträglich zu gestalten. Adam ackerte von früh bis spät, während Eva alle Mühe hatte sich nicht einzumischen, schließlich hat er ja den Apfel gegessen und nicht sie. Sie gab sich, wie einst im Paradies, voll und ganz der Pflege ihres makellosen Körpers, vor allem aber ihrer wunderschönen Haarpracht hin. Adam, der sich das nun schon von Mond zu Mond mit angesehen hatte, jammerte es. Einerseits war er ja von seiner Eva entzückt und wollte auf keinen Fall, dass ihre Schönheit Schaden nimmt, andererseits war er vollkommen auf sich gestellt, es gab ja außer Eva niemanden, der ihm hätte helfen können. Na ja, so manches Trampeltier und den einen oder anderen Hornochsen hatte er schon einspannen können, aber das allein reichte nicht, um die Aufgaben , die ihm der Schöpfer aufgehalst hatte, halbwegs korrekt zu erledigen. Im übrigen fehlte immer wieder Zeit ...
Eines Nachts erschien ihm im Traum die Schlange, diese Verführerin, die an dem ganzen Elend beteiligt war. – Schrecklich war der Traum, undenklich, was die Schlange ihm da ins Ohr flüsterte: „Adam, du guter, verzeih mir, es war ein großer Fehler, dass ich dich einst bedrängte, ruhig einmal die Früchte des Baumes der Erkenntnis zu kosten, es war ein Fehler, ja ein Fehler, ein großer Fehler – verzeih, bitte verzeih ... aber siehe, du hast ein zauberhaftes Weib, betrachte Sie doch mal aus aller nächster Nähe und dann ... na du wirst schon sehen, was ich meine und ... sei nicht so oberflächlich !“
Als Adam am anderen Morgen erwachte, begrüßte ihn ein wunderschöner Tag. Die Sonne strahle vom blauen Firmament, die Vögel zwitscherten in den Zweigen der üppig weiß blühen Kirschbäume, alles sah so friedlich aus, wie einst im Elysium. – Und er erkannte Eva. Und Eva erschien ihm schöner, lieblicher als sonst. Und zum ersten Mal erkannte er, dass sie anders war als er. Und Adam überkam ein Gefühl, das er bislang nicht kannte. – Und Adam erinnerte sich an seinen Traum, erinnerte sich dessen, was die Schlange ihm ins Ohr geflüstert hatte, erinnerte sich ...
Was gibt es da noch viel zu sagen – alles andere ist Geschichte – oder ? – Ach ja, wenn da nicht die Erinnerung an das Paradies geblieben wäre. Das Paradies, dieser friedliche Garten Eden, dieses Schlaraffenland. Und Adam überkam ein stille Trauer, und er fragte sich immer wieder, was wäre wenn ...
„Was wäre, wenn“ – diese Frage aller Fragen prägte sich Adam so stark ins Gedächtnis, dass alle seine Nachkommen bis zum heutigen Tage mit diesem Erbe leben müssen. Und so fragen wir, was wäre wenn ? Die einst durch die Schlange geweckte Neugier ist geblieben. Auch heute noch rütteln und schütteln wir am Baum der Erkenntnis, kosten seine verlockenden Früchte und merken nicht, dass wir immer wieder vertrieben werden, aus einem halbwegs paradiesischen Garten, den der ALLmächtige wider alle Verdammnis auf dieser Erde zuließ, um seinen Geschöpfen erneut eine Chance zu geben, das Elysium zurück zu erobern. – Doch der Mensch, er lernt nicht aus seinen Fehlern.
Was wäre, wenn ? Was wäre, wenn ER es uns erlaubt, hinter die Unendlichkeit zu schauen, was uns aus gutem Grunde vorenthalten bleibt – was wäre dann, was würden wir erkennen ? – Wir wissen es nicht. Vermutlich würden wir nichts Erkennen, wir wären geblendet von der ALL-MACHT.
Was wäre, wenn ? So fragen wir immer wieder – es bringt uns keine Erkenntnis, selbst wenn wir mit Lichtgeschwindigkeit oder eines Tages noch schneller in die Unendlichkeit fliegen. Wir sind und bleiben ein Teil des Ganzen und werden uns deswegen niemals selbst sehen können.
Und wieder fragt in uns die Neugier: „Was wäre, wenn … wenn es ein weitere Unendlichkeit gibt ?
Mit diesen Gedanken erwachen wir aus unsren kühnsten Träumen.